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Hefe - der unterschätzte Organismus

Hefe - der unterschätzte Organismus

Seit etwa 10 000 Jahren braut die Menschheit Bier. In einer Zeit als der moderne Mensch entstand und zu Siedlungs- und Ackerbau übergegangen ist, wurde Getreide kultiviert und fermentiert. Bier gehört seit Anbeginn der Zivilisation zur Menschheit. Ungefähr seit dieser Zeit begleitet die Hefe den Menschen als eines seiner ältesten Haustiere.
Schon Plinius der Ältere hat die Verwendung des Fermentum in seiner Naturalis historia bereits im Jahre 77 nach Christus beschrieben. In mittelalterlichen Brauereien war der Hefner ein anerkanntes Berufsbild und da wundert es schon fast, dass im bayerischen Reinheitsgebot von 1516 nichts von der Hefe zu lesen ist. Obwohl die Hefe bekannt war, wurde sie eindeutig unterschätzt.
Heutzutage verstehen wir als Brauer die Hefe nicht als weitere Zutat, sondern den Organismus, der aus der vom Brauer bereiteten Würze das Bier herstellt. So wie der Bauer seine Kühe gut ernähren und pflegen muss, um gute Milch zu erhalten, geht es dem Brauer mit der Hefe. Er bereitet der Hefe die passende Nahrung und ein optimales Ambiente um die besten Biere zu produzieren.

Dabei kann man von einem wunderbaren Organismus, wie der Hefe nur fasziniert sein.
Die Back- und Brauhefe heißt in der lateinischen Fachsprache Saccharomyces cerevisiae. Wörtlich also ein Zuckerpilz für Bier. Im Mittelalter sage man auch einfach Zeug und heute in Bayern heißt die Hefe immer noch Germ (man denke an den Germknödel) und im platten Norden Gest, was uns ans Englische (Yeast), Schwedischen (Jäst) oder Niederländischen (Gist) erinnert.
Wer jetzt denkt, Hefe ist einfach ein kleiner Organismus, der halt Zucker zu Alkohol und Kohlensäure verwandelt, der unterschätzt die Komplexität des Brauers liebsten Helferleins enorm.

Lasst mich Euch ein wenig von meiner Begeisterung für die Hefe anstecken.
Als sogenannter Eukaryot, also Lebewesen mit Zellkern, ähnelt die Hefe den Tieren und dem Menschen. Nur mit dem Unterschied, dass die Hefe so hoch entwickelt ist, dass sie nicht nur atmen kann, um Energie zu gewinnen, sondern auch ohne Sauerstoff überlebt. Respekt, dass schaffen wir keine zehn Minuten. Diese anaerobe Energieerzeugung ist auch unser Thema, die Gärung. Eine erstaunliche Fähigkeit, die für die hohe Anpassungsfähigkeit der Hefe spricht. Vielleicht war es die Faszination über dieses Talent der Hefe, die den Menschen dazu veranlasste sie als ersten Organismus komplett genetisch zu entschlüsseln (1996) und deren 16 Chromosomensätze erstmalig komplett zu synthetisieren (2014).

Wie ist die Hefe aufgebaut? 
Machen wir noch einmal einen Exkurs in die Schulbiologie und schauen uns die Zelle genauer an.
Der Zellkern ist die „Kommandozentrale“ und enthält die DNA mit 13 Millionen Basenpaaren, was umgerechnet 26 Megabyte an Daten sind. Quasi ein USB-Stick, der für das menschliche Auge mit seinen weniger als 10 Mikrometer nicht sichtbar ist. Milliarden von Generationen haben hier das komplizierte Eigenleben der Zelle gespeichert.

Die Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zelle und waren laut Wissenschaft eigenständige Organismen, die mit anderen Zellen verschmolzen sind und durch die Arbeitsteilung von Energieerzeugung- und Verwendung komplexe Lebensformern erst ermöglicht hat.

Am Endoplasmatischen Retikulum werden Proteine (Rauhes ER, mit Hilfe von Ribosomen) und Lipide (Glattes ER) produziert. Diese Stoffwechselprozesse halten die Zelle am Leben und ermöglichen die Vermehrung. Die Produkte dieser Vorgänge beeinflussen unser späteres Bieraroma, aber dazu später mehr. Über den Golgi-Apparat werden kleine mit Rohstoffen gefüllte Bläschen, genannt Vesikel, empfangen und verschickt. Die Lysosomen recyceln nicht mehr benötigte Zellbestandteile zu den Ausgangsrohstoffen. Umschlossen ist die Zelle von einer Membran in der die genannten Organellen im Zytoplasma schwimmen.

Viele Mechanismen sind bei den tausenden bekannten Hefestämmen sehr ähnlich, aber es gibt wie bei anderen Lebewesen unterschiedliche Spezialisierungen. Um die Prozesse kontrollierbar zu machen verwendet man heute fast flächendeckend Reinzuchthefen aus gezielt nach Wunscheigenschaften (Temperatur, Trübungsstabilität, Absenkverhalten, Stresstoleranz, Aroma etc.) selektierten Stämmen. 

Der größte Unterschied dieser Stämme ist sicher die Anpassung an warmes oder eher kühles Ambiente. Als Brauer unterscheiden wir hier im Wesentlichen die obergärige Hefe (S. cerevisiae), die vorzugsweise bei Zimmertemperatur aktiv ist und die untergärige Variante (S. pastorianus), die in kalten Kellern optimal arbeitet. 

Das namensprägende Merkmal war allerdings das Familienverhalten der Hefen. Hefe pflanzt sich durch Sprossung, also Zellteilung in Mutter- und Tochterzellen, fort. Das geht maximal 20 Mal, dann hat die Zelle so viele Sprossnarben, dass sie sich nicht weiter vermehren kann. Die familienorientierte obergärige Hefe lebt gern in Gesellschaft und bildet dabei Sprossverbände. Das aus jeder Zelle ausgeschiedene CO2 kann nicht nach oben steigen, ohne den gesamten Verband mit nach oben zu reißen. Diese Kräusen genannte Schaumdecke kann man bei der Gärung gut beobachten und ist bei obergärigen Hefen stark ausgeprägt. Der untergärige Kollege trennt sich eher von seinen Artgenossen und sinkt schneller nach unten. Eine bei Brauern beliebte Eigenschaft, da es die Separation der Hefe vom Jungbier vereinfacht und bei allen modernen Hefen stärker ausgeprägt ist sowie in den heute weit verbreiteten hoch gebauten Lagertanks effektiver vonstattengeht. Wir selektieren also seit Jahrhunderten die Hefen, die bevorzugte Eigenschaften für Aroma und technische Verarbeitung mit sich bringen. Vermutlich der älteste Eingriff in Evolution und Genetik der Menschheitsgeschichte.

Ohne Technik oder gezielte Lagerung in Kellern hat die untergärige Hefe wohl vermehrt im Winter gearbeitet und dort mehr Zeit für ein feines Bier gebraucht, wodurch der Name Lagerbiere entstand. Der langsamere Stoffwechsel bei niedrigerer Temperatur gab der Hefe Zeit viele Stoffwechselprodukte weiter zu verarbeiten und ihr feines Bukett aus langer Lagerung zu entwickeln. Dazu später mehr. (Bild Eiskeller, z.B. Pilsen). Die gezielte Selektion der Hefe für Ihre Aufgaben hat dabei verschiedene Bierstile geprägt, wie das Märzen, welches in Eiskellern zuletzt im März gebraut wurde und bis in den Sommer herein reifen konnte.

Was passiert jetzt also bei der Gärung?
Klar, es bildet sich Alkohol und als Kohlensäure gelöstes CO2. Zudem sinkt der pH-Wert von etwa 5,5 auf 4,5, damit ist Bier ziemlich sauer. Nur durch den unvergorenen Restzucker kommt es uns nicht so vor. Durch die Gärung verändert sich die Zusammensetzung der Würze, es bilden sich Gärungsnebenprodukte, insbesondere werden Eiweiße umgebaut, Bitter- und Gerbstoffe nehmen ab, es wird heller, klarer und „frischer“, d.h. sein Redoxpotential steigt an.

Was genau macht die Hefe während der Gärung?
Nach dem Brauen geben wir unsere Hefe in die abgekühlte Würze. Dort muss sich die Hefe mit dem Ambiente erst einmal vertraut machen und ihre Stoffwechselprozesse anpassen. Diese Zeit nennt man Anpassungs- oder Lag-Phase. Die Würze verändert sich kaum, aber der Brauer braucht sich nicht Sorgen, in der Hefe arbeiten die Prozesse auf Hochtouren.

Nun soll unser Zuckerpilz die in Mälzerei und Sudhaus abgebaute Stärke, im Wesentlichen Maltose, vergären. In der Bierwürze unseres Standardpils haben wir etwa 91% Kohlehydrate, von denen normalerweise 64-67% vergärbar sind. Gemeint sind dabei Einfachzucker, wie Glukose (5-7%) und Fruktose (1-2%) und in der Bierwürze in der Mehrheit mit etwa 40-45% die Maltose, ein Zweifachzucker aus Glukose. Zudem Saccharose (Haushaltszucker mit 3-6%), ein Disaccharid aus Glukose und Fruktose. Drei Glukosemolekülen ist die sogenannte Maltotriose (11-13%). Längere Zuckerketten sind nicht ohne weiteres vergärbar und nennt man Oligosaccharide oder einfach Dextrine.

Unsere im Sudhaus vom Enzym β-Amylase erzeugte Maltose wird zur Verwertung von Transportern (Permeasen) in die Hefezelle gebracht und dort in zwei Glukosemoleküle aufgespalten. Mit der Glukose beginnt nun der Energiestoffwechsel der Hefe, die Glykolyse. Hier entstehen bei der Atmung 38 ATP (Adenosintriphosphat, die Batterien der Zelle) und bei der Gärung 2 ATP. Daran sieht man schon einmal, dass die Atmung auch für die Hefe 19x effektiver Energie gewinnt und Gärung eigentlich nur eine Art Notstoffwechsel ist. Dies ist der Grund warum wir die abgekühlte Würze vor dem Anstellen der Hefe belüften. Wir wollen den Stoffwechsel ankurbeln, damit sich viele neue Hefezellen bilden. Diese Phase der logarithmischen Vermehrung der Hefe nennt sich Log-Phase. Viele junge Hefezellen verbessern unser Bieraroma, denn sie nehmen die aromatisch unangenehmen Ausscheidungsprodukte der abgestorbenen Generation wieder auf. Wenn es mehr tote, als lebende Zellen gibt stellt sich die Autolyse ein und diese unangenehmen Aromen verbleiben im Bier. Da hilft dann nur neue Hefe zum „Aufkräusen“. Junge Hefezellen produzieren dafür vermehrt höhere Alkohole, Estervorstufen und Schwefelverbindungen, die sich nicht alle durch Lagerung abbauen lassen und wir daher eher begrenzen wollen. (Bildserie: Verschiedene Stufen des Kräusens, Überweißen, Niedere Kräusen, Hochkräusen, Fallende Kräusen, Jungbierdecke).

Wenn der Sauerstoff nach ein paar Stunden verbraucht ist, beginnt die eigentliche Gärung. Vorher gärt es nur ein bisschen, wir nennen dies Crabtree-Effekt. Nun ist die Hefevermehrung auf ihrem Höhepunkt und es beginnt die stationäre Phase, den eigentlichen Zeitpunkt der Hauptgärung. Es entsteht aus zwei Teilen Extrakt, ein Teil Alkohol (Ethanol) und knapp ein Teil CO2. Dieses gelöste CO2 als Kohlensäure steigt auf und sorgt für den Schaum bei der Gärung und auf dem fertigen Bier. Durch die Vermehrung entsteht auch mehr Hefesediment. Mit dieser sogenannten Balling-Formel (2,0665g Extrakt = 1,0g Alk. + 0,9565g CO2 + 0,11g Hefe) kann man sich auch recht einfach aus der Stammwürze die zu erwartende Alkohol und -Kohlensäuremenge berechnen. 

Ungefähr nachdem ein Drittel des Extrakts abgebaut und auch kein Sauerstoff mehr vorhanden ist, bilden sich kaum noch neue Hefezellen und die ersten Hefezellen beginnen abzusterben. In dieser letalen Phase ist die Gärung anfangs noch intensiv und die eher buttrigen vicinalen Diketone (Diacetyl, Pentandion), organische Säuren und eher stechend nach grünem Apfel riechende Aldehyde werden gebildet. Im Verlauf dieser Phase nimmt das Nährstoffangebot ab und der Stoffwechsel der Zellen muss sich umstellen. Dabei werden die eben genannten Aromen reduziert. Ein Grund warum sich der Geruch im Verlauf der Haupt- und Nachgärung zunehmend verbessert. Durch das immer geringere Nährstoffangebot fahren die Stoffwechselprozesse runter, die Gärung verläuft langsamer und die Hefe setzt sich zunehmend ab. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, dass Jungbier zu spunden, also Druck aufzubauen, um Kohlensäure zu binden. Früher wurde hier vom offenen Gärungsbottich in die Druckfässer umgeschlaucht. Heute findet dies alles in denselben Gefäßen statt. Der Druck reduziert genauso wie die zunehmenden Zellgifte Alkohol und CO2 die Aktivität der Hefe.

Wenn der Sud endvergoren ist und der Extrakt bis zum Restzucker (den genannten Dextrinen) abgebaut ist, beginnt die Hefe die Reserven in den Zellen aufzubrauchen. Spätestens jetzt, besser am Ende der Log-Phase sollte man Hefe ernten.

Am Ende der Hauptgärung scheidet die Hefe nun „überflüssige“ Stoffe an das Substrat aus. Diese ausgeschiedenen Aminosäuren, Peptide, Vitamine, Phosphate, Glycoproteine, Enzyme, usw. haben einen erheblichen Einfluss auf die Vollmundigkeit des Bieres und runden den Geschmack ab. Dies ist ein wichtiger Beitrag der Reifung des Bieres.

Wie macht man nun mit der Hefe gute Biere?
Wenn man für ein großes Publikum gut trinkbare Biere herstellen will, dann sollte das Hefebukett dezent und harmonisch eingebunden sein. Eine gestresste Hefe bringt gern Aromen von Fuselölen (eigentlich höhere Alkohole) und markanten Estern mit sich. Zu wenig Hefeaktivität steigert auch die Gefahr von Fehlaromen, wie Butter oder grünem Apfel. Mangelnde Hygiene kann genauso, wie Hefe mit überwiegendem Anteil toter Zellen extrem unangenehme Aromen von Buttersäure, Kanalgeruch, verfaultem Gemüse oder Schweißgeruch mit sich bringen. Brauer lernen daher den Anspruch von nahezu sterilen Arbeitsbedingungen im Gärkeller und mit einem guten Hefemanagement schließt er letztgenannte Aromen aus. Nun geht es also darum dem bereits guten Rezept aus Malz, Hopfen, Maischearbeit, die gute Kellerarbeit hinzuzufügen.

Das fängt mit der richtigen Menge Hefe an.
In der Brauerei arbeitet man eher ungern mit Angaben wie Liter oder Kilogramm Flüssig-, bzw. Trockenhefe. Wir wollen die Zellzahl je Milliliter bestimmen und diese sollte mindestens zu 90% (optimal >97%) am Leben sein. Das geht mit Zellflussanalyse oder dem Mikroskop. Die Hefe wird bspw. mit Methylenblau eingefärbt und auf einer Zählkammer, einem im Objektträger mit 1ml Fassungsvermögen und einem gravierten Raster, gezählt. Die lebenden Zellen verarbeiten den Farbstoff und werden transparent, dadurch bestimmt man den Anteil der aktiven Zellen und rechnet die benötigte Verdünnung als Anstellmenge für den Sud aus. Bei untergärigen Bieren gibt man eine Million Zellen je Milliliter je Prozent Stammwürze, bei hohen Stammwürzen auch bis zu doppelt so viel. Obergärig verwenden wir jeweils halb so viel. Mit der Hefemenge beeinflusst man jedoch merklich die jeweilige Konzentration und die Zusammensetzung der Gärnebenprodukte und die Qualität der Erntehefe. Deswegen sollte die Hefemenge nicht genutzt werden, um die Gärgeschwindigkeit zu steuern. Denn mit der Menge beeinflusst man auch die Hefevermehrungsrate. Man sieht, dass die Menge der neu gebildeten Hefezellen zwar vergleichbar ist, aber das Verhältnis von alten und neuen Hefezellen sich stark unterscheidet. Bei einer eher geringeren Hefemenge, ergibt sich eine höhere Vermehrungsrate und es liegen mehr junge Hefezellen vor. Diese bilden dann mehr höhere Alkohole, Ester und Schwefelverbindungen. Bei größerer Hefegabe ergibt sich eine gemäßigte Gärung mit eher neutraleren Bieren und bei niedriger Hefegabe gärt es normal oder sogar schneller und wird eher markantere Aromen erzeugen.

Bei Trockenhefen ist man auf die Angaben vom Hersteller angewiesen und die Hefepackung darf keiner Hitze oder zu lang Sauerstoff ausgesetzt gewesen sein, sonst sinkt die Zahl der aktiven Zellen und man muss mehr Hefe geben. Der Versand ist dabei im Sommer besonders kritisch. In einem Zustellfahrzeug kann es in der direkten Sonne über 50°C heiß werden und da denaturiert auch die getrocknete Hefe. In heißen Sommern sind bei mir sogar die 500g-Packungen per Übernachtversand tot angekommen.

Wie stellen wie wir nun die Hefe richtig an?
Wichtig ist natürlich die Temperatur. Unsere Hefe sollte auf der gleichen Temperatur, wie unsere Anstellwürze sein. In Zweifel darf die Hefe kälter sein, aber nicht wärmer. Wenn die Hefe einen Kälteschock erfährt kann es schnell zu Gärstörungen kommen. Trockenhefe kann zwar direkt auf die Würze gestreut werden, aber ein Wohlfühlambiete zum „Aufwecken“ der Hefe ist eher eine sterile, also abgekochte, leichte Würze von 5-7°Plato. Der Stress durch das „überraschend“ hohe Extrakt der Anstellwürze ist geringer und im Gegensatz zum Wasser enthält eine leichte Würze wichtige Nährstoffe. Wasser ist gut geeignet, sollte spätestens 30 Minuten nach dem Anstellen in die Würze gegeben werden, damit die Hefe wieder Nährstoffe erhält. Die Zellspeicher sind bei der Trocknung der Hefe voll, aber wenn man mit dem Anstellen zu lang wartet sinkt die Hefe, wie in der letalen Phase ab.

Obergärige Hefen arbeiten rund um 20°C optimal und werden ab 24°C durch mehr Esterproduktion tendenziell fruchtaromatischer, was fruchtig gehopfte Bierstile unterstreichen kann. Die norwegischen Kveikhefen bestehen meist aus mehreren Hefestämmen und werden gern bei deutlich über 30°C, manchmal 40°C vergoren, um die vielfältigen eigentümlichen Aromen (Orange, tropische Früchte oder auch Karamell) zu verstärken, ohne klassische Fehlaromen zu bilden. Der Sud ist dann natürlich eher in einigen Stunden, als in mehreren Tagen endvergoren.

Untergärige Hefen sind sehr unterschiedlich. Klassische Stämme aus Böhmen oder Bayern arbeiten eher bei 6-9°C, moderne Stämme bei hobbybrauerfreundlichen 14 bis 22°C. Da lohnt es sich die Herstellerempfehlung zu lesen. Spontangärung ist demnach eher eine Entscheidung für den bei der aktuellen Temperatur vorherrschenden Hefestamm in der Luft oder im Gärbottich und dauert sehr lang, bis sich die Hefezellen für eine kräftige Gärung ausreichend vermehrt haben. Häufig setzen sich auch die Bierschädlinge zuerst durch.

Je höher die Anstelltemperatur gewählt wird, umso mehr vermehrt sich die Hefe und desto mehr Hefestoffwechselprodukte werden gebildet. Zudem durchmischt sich die Hefe besser, da Gärung eine exotherme Reaktion ist und diese Wärme schneller an das Medium abgegeben wird und Konvektion erzeugt. Der pH-Wert, Eiweiß- und Bitterstoffe sinken ab und es bilden sich, wie erwähnt, vermehrt höhere Alkohole und Ester. Als Brauer steuert man mit der Temperatur die Gärgeschwindigkeit, die wir im abgebauten Extrakt in 24 Stunden messen.

Bestimmte Jungbukettstoffe, wie die buttrigen Aromen (Diacetyl), können bei einem Abbau von der Hälfte des vergärbaren Extrakts gezielt durch wärmere Temperaturen schneller reduziert werden und dem kommenden Stress durch zunehmendem Alkohol- und CO2-Gehalt und Druck etwas entgegenwirken.

Für neutralere untergärige Biere lohnt es sich die Anstelltemperatur („Tank voll“) 1-1,5°C unter der Soll-Temperatur der Hauptgärung zu wählen, damit die Hefe auf die Temperatur selbst kommen kann und nach dem Sud 0,5°C höher liegt, als vor dem Sud.

Wenn man Hefe erntet, dann muss es natürlich mikrobiologisch sauber vonstattengehen. Der Zeitpunkt wäre ideal, wenn 20-30% scheinbarer Extrakt vergoren sind. Dann ist der Anteil junger Zellen am höchsten. Beim Anstellen mit Hefe aus einem in Gärung befindlichen Sud (Anstellen mit Kräusen) sollte die Gärung gerade voll angekommen sein und sich in der Phase des Hochkräusen (volle weiße Schaumdecke) befinden. Dies sollte bei klassisch untergärigen Hefen nach 48-72 Stunden der Fall sein, obergärige oder moderne untergärige Hefen nach 24-48 Stunden.

Die Hefe liegt in drei Schichten auf dem Boden, die man wie im Mittelalter in Ober- und Unterzeug unterscheidet mit der Kernhefe in der Mitte. Das Unterzeug hat sich zuerst abgesetzt und sind daher alte Zellen, die wenig vital sind und zur Autolyse neigen. Das Oberzeug ist meist mit Hopfenharzen verklebt und müsste gewaschen werden. Eine saubere Trennung der Hefeschichten ist nur schwer möglich. Faustgröße für die Ernte wären 2,5% Erntehefe je Hektoliter frischer Anstellwürze.

Lagern sollte man die Hefe möglichst kurz und kalt, ohne sie einzufrieren. Dauerhafte Lagerung geht nur durch richtiges Hefebanking. Je länger man lagert, umso mehr muss man die Hefe vor der Nutzung propagieren, d.h. erneut vermehren.

Wir propagiert man Hefe richtig?
Wir wollen also in einer definierten Zeit die Zahl der aktiven Zellen vermehren. Das geht natürlich auch bei der Gärung, z.B. in dem man nach einem Tag Gärung eines halb vollen Tanks noch einen Sud drauf lässt. Bei der „echten“ Propagation wollen wir die Gärung drosseln, indem wir gezielt belüften. Mit einem Vergärgrad von weniger als 25% erzielen wir optimal mehr als 100 Millionen Zellen je Milliliter, die praktisch alle am Leben sind (<1% blau gefärbte Zellen bei der Zellzählung).

Typischerweise vermehrt man bei Zimmertemperatur und schafft innerhalb von 24 Stunden eine 8-10-fache Vermehrung von untergärigen Zellen und 15-20-fache Menge bei obergärigen Hefezellen.

Unter Gärungsbedingungen sind die Vermehrungsraten bei etwa 10 Millionen Zellen je Milliliter 6-8-fach in 72 Stunden bei Untergärung und Zimmertemperatur, wenn es kälter (11-13°C) wird 4-6-fach in 72h. Obergärig 10-15-fach in 24 Stunden.

100% Propagationshefe bringt typische Frischhefearomen, die mich persönlich an Brioche oder Hefezopf erinnern. Genauso bringt 100% Trockenhefe gelegentlich ein geringes Autolysearoma mit sich. So macht es Sinn Erntehefe mit Propagationshefe zu mischen und nach jeder dritten Führung mit 20% Propagationshefe aufzufrischen.

Wie steuere ich nun das Bieraroma beim Hefemanagement?

Höhere Alkohole sind in moderaten Mengen Teil des Bierbuketts, können durch kalte Gärung, Druck und erhöhte Hefegabe gedämpft werden. Es erhöht sich besonders bei hoher Gärtemperatur, geringer Hefegabe oder Mangelernährung der Hefe mit Aminosäuren aus dem Malz (18-20mg/l/°P, siehe FAN-Wert in der Malzanalyse). Zu intensives Belüften oder „Drauflassen“ erhöht die Aromasubstanzen ebenfalls.

Die Ester bilden sich aus Carbonsäuren (z.B. Essigsäure) und den gebildeten Alkoholen vor allem während der intensiven Hauptgärung und können sich bei langer bzw. warmer Lagerung verstärken. Warme Gärung (>24°C), hohe Stammwürzen (>13,5°P) und damit auch viel Alkohol sowie intensive Würzebelüftung verstärken die Esterbildung, die gerade bei obergärigen Hefen eher tropische Fruchtnoten hinterlassen und mit dem Hopfen bei fruchtigen Ales gut harmonieren können.

Buttrige oder schwefelige Aromen baut die Hefe meist ab, es sei denn die Hefe ist Mangelernährt und stirbt bereits ab, dann nehmen die unangenehmen Verbindungen stark zu und Gerüche nach gekochtem oder fauligem Gemüse und Kanal nehmen zu.

Das Jungbieraroma, wie grüner Apfel, ist Acetaldehyd, welches aus der Decarboxylierung des Pyruvats, welches wir aus der Glykolyse gewonnen haben, entsteht. Durch das Enzym Alkoholdehydrogenase wird es mit der Zeit zu Ethanol reduziert, sofern kein Zinkmangel herrscht. Genauso, wird Alkohol durch dieses Enzym in unserer Leber abgebaut. Da kommt neben den Fuselölen ein erheblicher Teil unseres Katers her und deswegen sollten wir dem Bier auch Zeit geben, damit die Hefe, nicht nur des Geruches wegen, dieses Aldehyd reduziert.

Übrigens kann die Hefe, genau wie unsere Leber, den Alkohol bei Sauerstoffzufuhr ebenfalls selbst wieder energetisch verwerten. Wieder ein evolutionärer Vorteil, erst die Konkurrenz mit Alkohol ausschalten und dann diesen Alkohol selbst wieder als Energiequelle einsetzen. In der Brauerei lassen wir es zum Glück nicht so weit kommen, die Sauerstoffwerte werden in größeren Brauereien kontrolliert, denn niedrige Werte sind für die Haltbarkeit des Aromas essenziell.

Außerdem hat die Eiweißsynthese mit den entstehenden organischen Säuren merklich sensorische Auswirkungen. Die Balance der Säure mit der Restsüße und Bittere ist elementarer Bestandteil eines harmonischen Trunks.

Bei langer Lagerung, Druckgärung oder der genannten Autolyse können dann Gerüche aus der Fettsäuresynthese nach Ziegenkäse und Schweiß entstehen, die wir unbedingt vermeiden sollten.

Natürlich kann jedes der genannten Aromen auch von einer Infektion mit anderen mikrobiologischen Kulturen entstehen. Einige bringen aber zusätzliche Fähigkeiten mit, wie die Milch- und Essigsäuregärung mit ihren gleichnamigen Aromen oder zusätzliche enzymatische Fähigkeiten, wie dem Abbau von Dextrinen und der Bildung von mehr Alkohol und Kohlensäure, was zu Schaumfontänen beim Öffnen der Flaschen führen kann.

Daher ist des Brauers höchstes Gebot immer noch die Sauberkeit beim Umgang mit der Hefe.

Dann schmeckt auch das Bier.
Skål!

Text: Brian Schlede für das craftbeer Magazin Nr. 15